Ihre Rolle als BetreuerIn
Gerade wenn Sie zum ersten Mal Studierende bei der Erstellung einer Abschlussarbeit betreuen, empfiehlt es sich zu klären, wie Sie diese Rolle anlegen und ausgestalten wollten. Aber auch für erfahrene BetreuerInnen kann es sich lohnen, ihr Tun regelmäßig zu reflektieren und neue Ansätze auszuprobieren.
Das Ziel sollte sein, die Studierenden mit ihren unterschiedlichen Persönlichkeiten, Voraussetzungen und Arbeitsweisen in ihrem Lernen zu unterstützen. Studierende brauchen typischerweise Ihre Hilfe in unterschiedlichem Ausmaß. Dazu gehört allerdings weder, dass Sie Arbeiten für die Studierenden erledigen (z.B. Literaturrecherche), noch, dass Sie typische Herausforderungen in diesem Prozess für sie aus dem Weg räumen. Einerseits zählt das nicht zu den Aufgaben des Betreuers oder der Betreuerin, andererseits entgehen dadurch den Studierenden wertvolle Lerngelegenheiten.[1] Weiters sind Ihre Unterstützungsmöglichkeiten auch durch die Rahmenbedingungen begrenzt (z.B. Anzahl der zu betreuenden Studierenden, andere Verpflichtungen). Überlegen und entscheiden Sie, was Sie tatsächlich leisten können.
Zur Reflexion gehört, sich bewusst zu machen, welcher Betreuungsstil der richtige für Sie ist. Dieser wird von persönlichkeitsbezogenen Faktoren beeinflusst, wie z.B. Ihren eigenen Werten, Ihrem persönlichen Arbeitsstil, Ihrer Herangehensweise an wissenschaftliches Denken und Arbeiten, sowie von disziplinspezifischen Standards und anderen Kontextfaktoren. Daraus entstehen zugleich auch Erwartungen an die Studierenden. Ziel einer Reflexion des Betreuungsstils ist, sich dieser Faktoren bewusst zu werden, damit Ihr Handeln nicht unbewusst davon beeinflusst wird.[2] In einem weiteren Schritt sollten Sie Ihre Erwartungen klar an die Studierenden kommunizieren (z.B. als Teil einer Betreuungsvereinbarung).
Eine grundlegende Überlegung in Bezug auf Ihren Betreuungsstil betrifft Ihre Positionierung im Spektrum zwischen direktiver (als BetreuerIn legen Sie Inhalte und Prozesse fest und behalten die Kontrolle darüber) und nicht-direktiver Betreuung (die Studierenden arbeiten frei und eigenständig, Sie stehen ihnen als BeraterIn zur Seite). Die meisten Lehrenden verorten sich nicht an den Endpunkten, sondern an verschiedenen Punkten innerhalb des Spektrums (siehe dazu auch das Video "Unterstützungsbedarf" aus unserer Video-Serie: Wie machen Sie das?). Zusätzlich zu Ihrer persönlichen Entscheidung wird diese Verortung meist auch von ihrer Fachkultur beeinflusst, aber ebenso davon, ob es sich bei der zu erstellenden Arbeit um eine BA- oder eine MA-Arbeit handelt. Ihre Positionierung beeinflusst die Aufteilung der Verantwortlichkeiten, die sich wiederum auf die konkrete Ausgestaltung der Arbeitsschritte auswirkt.[3] Leitfragen dabei sind:
- Wird der Zeitplan von Ihnen oder von den Studierenden festgelegt?
- Wer ist für die Kontaktaufnahme vor Besprechungen verantwortlich und bestimmt die Agenda?
- Sind Thema/Fragestellung vorgegeben oder müssen sie von den Studierenden erarbeitet werden?
Weiters ist es hilfreich, für sich zu klären, was Ihnen in der Betreuung wichtig ist. Überlegen Sie, was Sie in der Betreuung leisten wollen und können, und kommunizieren Sie dies den Studierenden:
- Bei welchen Anliegen stehen Sie als AnsprechpartnerIn zur Verfügung?
- Wofür sind die Studierenden selbst verantwortlich?
- Wobei müssen sie ggf. auf externe Hilfe zurückgreifen?
Manche Lehrende finden es hilfreich, diese Reflexionen und Überlegungen für sich in einem Betreuungskonzept festzuhalten.[4] Darin legen Sie in der für Sie persönlich geeigneten Ausführlichkeit die Eckpunkte der Betreuung fest. Es kann einerseits für den persönlichen Gebrauch erstellt werden und andererseits in einer Kurzversion auch an Studierende weitergegeben werden (z.B. als Gesprächsunterlage oder als Teil einer Betreuungsvereinbarung, d.h. als schriftliche Dokumentation dessen, was Studierende von der Betreuung erwarten können und was Sie Ihrerseits von den Studierenden erwarten).
Als BetreuerIn vereinen Sie mehrere Rollen in einer Person: Sie begleiten und beraten, beurteilen die fertige Arbeit, fungieren als VertreterIn der Disziplin usw.[5] Diese Rollen können sich im Laufe des Betreuungsprozesses verschieben, aber auch in einem Spannungsfeld zueinander stehen. Daher ist bewusste Vorbereitung und kontinuierliche Reflexion des eigenen Tuns hilfreich, um mit etwaigen Rollenkonflikten gut umgehen zu können. Es kann auch hilfreich sein, dieses Spannungsfeld im Gespräch mit den Studierenden zu thematisieren und darzulegen, was sie wann von Ihnen erwarten können.
Zwei Beispielszenarien zum Umgang mit verschiedenen Rollen in der Betreuung
- Studierende müssen einen Rohentwurf eines ersten Kapitels abgeben, auf den Sie Feedback geben, dessen Qualität Sie aber nicht benoten.
Kommunizieren Sie klar an die Studierenden, dass Sie hier begleitend aber nicht beurteilend tätig sind. Verstehen nämlich die Studierenden Ihre Rolle ausschließlich als BeurteilerIn, nehmen sie vielleicht an, jede einzelne Abgabe würde benotet. Dies kann zu Ängstlichkeit und Passivität im Schreibprozess führen und kontraproduktiv auf das studentische Lernen wirken. - Gegen Semesterende durchläuft die vollständige Version der Arbeit einen Peer-Review-Prozess im Seminar, aber an diesem Punkt bekommen die Studierenden von Ihnen kein Feedback mit Möglichkeit zur Überarbeitung mehr. Sie beurteilen die nach der Peer-Feedbackrunde abgegebene fertige Arbeit.
Erklären Sie Ihren Studierenden frühzeitig, dass zu diesem Zeitpunkt der begleitende und beratende Prozess abgeschlossen ist und Sie ausschließlich als BeurteilerIn agieren werden. Wenn es Ihnen ein Anliegen ist, können Sie so verhindern, dass Studierende Sie so lange immer wieder um Feedback bitten, bis die Arbeit ein „Sehr gut“ erreicht hat.
Quellen
[1] Siehe Wisker, Gina. „Getting it Right from the Start: Setting Up and Managing Good Supervisory Practices with Undergraduate Dissertations“. In Supervising and Writing a Good Undergraduate Dissertation, herausgegeben von Roisin, Donnelly, John, Dallat, und Marian Fitzmaurice, 3–18. Sharjah: Bentham Science Publishers, 2013. Hier S. 6-7.
[2] Siehe Buff Keller, Eva, und Stefan Jörissen. Abschlussarbeiten im Studium anleiten, betreuen und bewerten. Opladen [u.a.]: Budrich, 2015, 51 ff.
[3] Siehe Buff Keller und Jörissen. Abschlussarbeiten im Studium. S. 54. [2]
[4] Siehe Buff Keller und Jörissen. Abschlussarbeiten im Studium. S. 59-60. [2]
[5] Thomann spricht von einem „Rollenstrauß“. Siehe Thomann, Geri. Ausbildung der Ausbildenden. 4. Aufl. Opladen: Budrich, 2002.
Empfohlene Zitierweise
Louis, Barbara: Betreuen schriftlicher Arbeiten (1). Ihre Rolle als BetreuerIn. Infopool besser lehren. Center for Teaching and Learning, Universität Wien, November 2019. [https://infopool.univie.ac.at/startseite/lehren-betreuen/betreuen-schriftlicher-arbeiten/1-rolle-als-betreuerin/]
Dieser Text ist lizenziert unter Creative Commons
Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Österreich (CC BY-SA 3.0 AT)
Mehr Informationen unter https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/at/