Überblick
1. Einführung: Potentiale und Herausforderungen
2. Betreuung in verschiedenen Phasen des Schreibprozesses
3. Erwartungen transparent machen: Der Fahrplan für den Masterarbeitsprozess
1. Einführung: Potentiale und Herausforderungen
Mit der Masterarbeit müssen Studierende unter Beweis stellen, „dass sie in der Lage sind, eine Fragestellung auf dem aktuellen Stand der Forschung wissenschaftlich zu bearbeiten.[1] Sie ist eine neue Erfahrung für Studierende, die eine besondere Art von Betreuung erfordert.[2] Diese findet in den meisten Studienrichtungen in verschiedenen Betreuungsformaten wie Masterseminar, Mitarbeit in einer Forschungsgruppe[3] und / oder individuelle Betreuung statt. In jedem Fall begleiten Betreuende einen Schreibprozess, wobei sowohl der Schreib- als auch der Betreuungsprozess verschiedene Phasen durchlaufen. Im ersten Teil dieses Infopool-Beitrags finden Sie deshalb eine Gegenüberstellung der Phasen, die eine Betreuung im Regelfall durchläuft, und den Phasen eines Schreibprojektes.
Betreuung in all den genannten Formaten bewegt sich in einem Spektrum zwischen einem hohen Maß von Verantwortung für die Tätigkeit und die Ergebnisse der Studierenden einerseits und dem Ermöglichen der autonomen Umsetzung des Masterarbeitsprojektes durch die Studierenden andererseits.[4]
Betreuende nehmen im Laufe des Prozesses zumeist nicht eine Rolle ein, sondern mehrere:[5] Sie begleiten, beraten, begutachten und beurteilen. Jede dieser Rollen beinhaltet eigene Herausforderungen, die an verschiedenen Punkten im Betreuungsprozess tragend werden.[6] Der folgende Beitrag gibt deshalb praxisorientiert Anregungen zur Gestaltung der eigenen Betreuungspraxis, zunächst mit einer Übersicht über „Betreuung in verschiedenen Phasen des Schreibprozesses“ und behandelt im Anschluss in den einzelnen Kapiteln die Spannungsfelder „Erwartungen transparent machen“, „Anleiten und/versus Ermöglichen autonomen Handelns“ sowie die Gestaltung im „Übergang von Betreuung zu Beurteilung“.
Weitere Informationen zur Betreuung von Masterarbeiten finden Sie im Handbuch für Lehrende. Dieser Beitrag versteht sich als eine Ergänzung des bestehenden Materials aus schreibdidaktischer Sicht.
2. Betreuung in verschiedenen Phasen des Schreibprozesses
Betreuung durchläuft ebenso wie ein Schreibprojekt verschiedene Phasen, die eng miteinander verschränkt sind und nicht immer linear aufeinander folgen. Bei einer prozessorientierten Betreuung steht während der Umsetzung des Schreibprojektes weniger das fertige Produkt „Masterarbeit“ im Zentrum der Betreuung, sondern die Unterstützung der Studierenden auf ihrem Weg dorthin. Betreuende nehmen in diesem Kontext also noch nicht die Rolle der Beurteilenden ein, sondern eher begleitende, beratende und unterstützende Rollen.
Dem prozessorientierten Ansatz folgend wird der Schreibprozess in kleinere Teilhandlungen unterteilt. Dabei sind unterschiedliche Schreib- und Lesetechniken sowie ein jeweils unterschiedlicher Fokus im Feedback zentral. Abbildung 1 zeigt beispielhaft eine Modellierung der Phasen eines Schreibprojektes.[7]
- Vorbereiten (Orientierung und Themenfindung, Material sichten und strukturieren),
- Schreiben (Rohtext verfassen),
- Überarbeiten (Überarbeiten und Feedback einholen, Korrigieren und Finalisieren).
Auch wenn das Modell linear wirkt und auf das Ziel „der fertige Text“ hinsteuert, besteht es aus verschiedenen, sich teilweise wiederholenden Teilschritten. Wie Sie vielleicht aus der Betreuung anderer schriftlicher Arbeit wissen, laufen die Phasen des Schreibprojektes auf das Produkt des Schreibprozesses, den fertigen Text, zu und dauern im Regelfall ungefähr gleich lang. Jedoch wird dazu geraten, für das Verfassen des Rohtextes doppelt so viel Zeit als Puffer einzuplanen, da die tägliche Textproduktion der Studierenden variiert.
Im Laufe der ersten Phasen (Orientierung und Themenplanung, Material sichten und strukturieren) formulieren Schreibende eine Forschungsfrage, die den roten Faden für die weitere Arbeit bildet. Betreuende sind in die Entscheidungsprozesse hinsichtlich der Eingrenzung des Themas hin zu einem machbaren Projekt zumeist involviert, wobei Studierende in vielen Studienrichtungen bereits erste Überlegungen zur Themenfindung angestellt haben, bevor sie ihre Betreuer*innen ansprechen.
Der Bereich „Wie mache ich transparent, welche Anforderungen bei Masterarbeiten zu erfüllen sind?" im Handbuch für Lehrende gibt eine Übersicht über mögliche Themen, über die Sie sich Gedanken machen und die Sie an Studierende kommunizieren können, um den Einstieg in die Betreuung zu erleichtern.
Eine prozessorientierte Perspektive auf das Schreiben ermöglicht es weiters, in den verschiedenen Phasen unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen: Zunächst müssen inhaltliche Fragen geklärt werden, bevor auf die Struktur des Textes und in weiterer Folge die Sprache eingegangen werden kann. Eine solche Perspektive kann Betreuer*innen entlasten, da sie nicht alle Aspekte zugleich abdecken müssen. Stattdessen können Sie je nach Phase des Schreibprojektes entscheiden, worauf Sie den Fokus legen wollen.
3. Erwartungen transparent machen: Der Fahrplan für den Masterarbeitsprozess
Der Anspruch einer Masterarbeit besteht darin, dass Studierende eine Fragestellung erarbeiten und diese mittels im Rahmen des Studiums angeeigneten Fähigkeiten und Wissens bearbeiten. Da sie bis zu diesem Zeitpunkt kein Projekt in den Dimensionen einer Masterarbeit durchgeführt haben und daher oft unsicher sind, sind klare Rahmenbedingungen sowohl für die Arbeit als auch die Betreuung ein wichtiger erster Schritt, um das Projekt „Masterarbeit“ erfolgreich zu meistern.
Ein Fahrplan für den Masterarbeitsprozess[8] kann Sie dabei als Referenz- und Informationsdokument unterstützen und Verbindlichkeit schaffen. Er klärt die Rahmenbedingungen für die Betreuung (z.B. die Häufigkeit von Treffen, den Umgang mit Feedback oder mit Unterbrechungen des Schreibprozesses aus persönlichen Gründen). Zudem steckt er die Erwartungen an die Studierenden und zum Forschungsprozess ab (z.B. hinsichtlich Finanzierung, Bereitstellung von Materialien oder Einbindung in eine Forschungsgruppe).
Wir empfehlen, die folgenden Fragen im Rahmen Ihrer Betreuung zu reflektieren. Halten Sie Ihre Antworten auf diese Fragen auch schriftlich fest, z.B. im Rahmen eines Informationsdokuments, das auf der SPL-Website oder Ihrer persönlichen Website Auskunft über Ihre Betreuungspraxis gibt.
- Häufigkeit der Treffen:
- Wie oft sollen Treffen stattfinden und in welchem Rahmen (z.B. in Sprechstunden)?
- Wer initiiert die Treffen?
- Wer bestimmt die Agenda?
- Feedback:
- Geben Sie Feedback auf Textentwürfe?
- Geben Sie schriftlich oder mündlich Feedback?
- In welchem Rahmen werden Textentwürfe besprochen?
- Wie lange vor den Treffen sollten Textentwürfe bei Ihnen sein?
- Dokumentation der Treffen:
- Wer macht sich Notizen? Es wird empfohlen, Studierende ein Ergebnisprotokoll verfassen zu lassen, in dem die nächsten Arbeitsschritte und Deadlines vereinbart sind, und das sie mit Ihnen teilen (sollen). Verwenden Sie dazu gerne die Handouts „Betreuungsgespräch vorbereiten“ und „Betreuungsgespräch dokumentieren“.
- Kontakt zwischen den Treffen:
- Wann und wie (E-Mail, Telefon) sind Sie erreichbar und wann nur eingeschränkt (z.B. wegen Forschungsaufenthalten, Tagungen etc.), wann nicht?
- Wie schnell antworten Sie und ab wann sollten Studierende noch einmal nachfragen?
- „Lebenszeichen“:
- Wie regelmäßig sollen Studierende außerhalb von Betreuungstreffen Rückmeldungen über den Stand der Arbeit geben?
- In welcher Form soll diese Rückmeldung erfolgen und erhalten die Studierenden eine Antwort darauf?
- Ressourcen:
- Gibt es Ressourcen, auf die Sie verweisen wollen?
- Welche KI-Tools sind erlaubt und wie soll ihr Einsatz dokumentiert werden? Weitere Empfehlungen zum Nutzen von KI-Tools beim wissenschaftlichen Arbeiten finden Sie in den Guidelines „Umgang mit KI in der Lehre“ („Masterarbeiten erfolgreich betreuen“)
4. Anleiten und / versus Ermöglichen autonomen Handelns
Als Betreuer*innen bewegen Sie sich im Spannungsfeld zwischen Anleitung und dem Ermöglichen autonomen Handelns (siehe auch: Ihre Rolle als Betreuer*in).[9] Wie viel Anleitung Studierende brauchen, hängt stark vom Schreibprojekt, ihrer Erfahrung mit den Erhebungs- und Auswertungsmethoden sowie ihrer Persönlichkeit ab. Da für die meisten Studierenden die Masterarbeit das erste Projekt dieser Art und Größenordnung ist, brauchen sie zumeist ein gewisses Maß an Anleitung. Durch gut gewählte punktuelle Unterstützung können Sie die Studierenden in ihrer Handlungsfähigkeit gezielt fördern.
a. Den Grundstein für autonomes Handeln legen: Themenfindung unterstützen
Offiziell beginnt der Betreuungsprozess erst mit der Abgabe des Formulars „Anmeldung von Thema und Betreuung“, doch viele Betreuende sehen einen Mehrwert darin, Studierende bereits in der Themenfindung zu unterstützen. Dabei geht es nicht darum, den Studierenden Denkarbeit abzunehmen, sondern gemeinsam mit ihnen eine realistische Vorstellung davon zu erarbeiten, wie eng oder weit eine Forschungsfrage gestellt sein sollte, um sie in einem für eine Masterarbeit geeigneten Umfang, vor allem bezogen auf die Länge und Dimensionierung des Projektes, zu beantworten.
Hinweis zum Umfang von Masterarbeiten: Laut UG sollte eine Masterarbeit vom Umfang her innerhalb von 6 Monaten bearbeitbar sein. Dieser Zeitrahmen soll der Orientierung dienen, muss aber vor dem Hintergrund von Betreuungspflichten und Berufstätigkeit angepasst werden.
Weitere Informationen: „Masterarbeiten: Ein konkretes Thema bearbeitbar machen" (Handbuch für Lehrende)
Im Rahmen der Themenfindung werden die wichtigsten Eckpunkte für das Masterarbeitsprojekt festgelegt. Erfahrungsgemäß brauchen Studierende vor allem Unterstützung in der Dimensionierung ihrer Schreibprojekte, denn nur wenigen ist klar, wie viel für eine Masterarbeit „genug“ ist und planen zu große Projekte. Auch in der der Operationalisierung benötigen Studierende Unterstützung, weil sie sich viele für die Masterarbeit neue Methoden zur Datenerhebung und -auswertung aneignen müssen.
Um die Eckpunkte einer wissenschaftlichen Arbeit zu konkretisieren, können Sie auf das Planungsfünfeck[10] zurückgreifen. Damit können sich Studierende einen Überblick über ihre Fragestellung, Arbeitshypothesen, Theorien und Begriffe, Methoden und Material verschaffen. Studierende können das Planungsfünfeck schrittweise präzisieren. So erhalten sie einen Überblick über das Thema und merken zugleich, wo im jeweiligen Moment Fragen offen sind. In Ihrer Betreuungspraxis können Sie das Planungsfünfeck beispielsweise folgendermaßen verwenden:
- Die Studierenden füllen das Planungsfünfeck im Vorfeld Ihrer Besprechung aus und erklären Ihnen in der Sprechstunde den Status Quo anhand des Fünfecks.
- In der Sprechstunde gehen Sie die einzelnen Felder durch, klären Fragen, die sich die Studierenden stellen und legen Sie nächste Schritte fest, die die Studierenden bis zum nächsten Treffen unternehmen sollen, um das Forschungsprojekt zu konkretisieren.
- Regen Sie die Studierenden durch konkrete Fragen zur Reflexion an: Was ist im Planungsfünfeck gleich geblieben, was hat sich seit der letzten Sprechstunde am Projekt verändert?
Sind die Schritte Themenfindung, Formulierung der Forschungsfrage(n) und (Hypo-)Thesen sowie Festlegen des Forschungsdesigns erfolgt, haben die Studierenden den ersten Meilenstein im Masterarbeitsprozess erreicht. Ab jetzt können die Studierenden selbständiger arbeiten. Legen Sie bei Feedback an diesem Punkt im Prozess besonders Wert auf die klare Eingrenzung und Umsetzbarkeit des Masterarbeitsprojektes im Rahmen der verfügbaren Ressourcen.
Zur Themenfindung stehen Ihnen folgende Handreichungen zur Verfügung:
- Das Handout „Inspirationen zur Themenfindung“ bietet Studierenden eine Sammlung möglicher Anhaltspunkte, an denen sie sich bei den ersten Überlegungen zur Themenfindung orientieren können.
- Viele Studienrichtungen verlangen gemeinsam mit dem Formular „Anmeldung von Thema und Betreuung“ auch ein Exposé. Als Planungsdokument ist es gerade in der Phase der Themenfindung von Nutzen, weil einerseits Studierende damit ihre Entscheidungen dokumentieren müssen. Andererseits führt es Studierenden vor Augen, dass sie in einem Zeitraum, in dem normalerweise keine großen Textmengen entstehen, doch „etwas gemacht“ haben. Das Handout „Exposé“ kann von Studierenden zur Orientierung genutzt werden.
- Sobald der Umfang der Arbeit klar definiert ist, sollen die Studierenden eine Gliederung der Abschlussarbeit erstellen. Achten Sie darauf, dass sie diese, wenn nötig, aktualisieren. Dabei können die Handouts „Gliederung wissenschaftlicher Arbeiten“ und „Gliederung – Beispiel & Checkliste“ für Studierende hilfreich sein.
- Regen Sie an, dass die Studierenden ihren Arbeitsfortschritt regelmäßig in einem Journal dokumentieren, damit sie Ideen und Entscheidungen im Verlauf des Projektes nicht vergessen und diese später nachvollziehen können. Ein solches Forschungsjournal ist auch im Kontext von KI-Schreibtools ein wichtiges Dokumentationstool. Das Handout „Forschungsjournal“ enthält wichtige Anhaltspunkte für Studierende. Als Praxisbeispiel kann etwa das Interview mit Verena Lehmbrock zu ihren Forschungstagebüchern dienen.
b. Zeitplanung anleiten
Da das Masterarbeitsprojekt für die meisten Studierenden das erste Projekt in dieser Länge ist, erstellen viele Studierende unrealistische Zeitpläne. Ihnen ist oft nicht bewusst, dass sie diese Zeitpläne im Laufe der Zeit immer wieder anpassen müssen.
Sind Studierende in ein Forschungsprojekt eingebunden, gibt der Zeitplan des Projektes den Rahmen vor. Wenn sie die Rohfassung trotzdem größtenteils unabhängig von der Forschungsgruppe schreiben, ist es hilfreich, mit den Studierenden einen Zeitplan mit ggf. regelmäßigen Treffen zu vereinbaren. Dadurch wird für Sie die Betreuung besser planbar. Die Studierenden bekommen durch Ihr Feedback eine realistische Vorstellung davon, wie man einen Projektplan aufbauen kann, der hält.
Drei wichtige Grundsätze für das Erstellen von Zeitplänen:
- Regen Sie die Studierenden an, mit kleinen, leicht erreichbaren Teilzielen bzw. Zwischenschritten zu arbeiten.
- Regen Sie die Studierenden an, den Zeitplan wie im Projektmanagement von der Deadline ausgehend rückwärts zu planen.
- Auch Puffer müssen eingeplant werden! Erinnern Sie die Studierenden daran, dass Puffer, etwa für Urlaub oder unvorhergesehene Geschehnisse, sehr wichtig sind.
Einsatzmöglichkeiten von Zeitplänen in der Betreuungspraxis:
- Geben Sie Feedback auf den Zeitplan von Studierenden und teilen Sie Ihre eigenen Erfahrungen aus Forschungsprojekten. So vermitteln Sie eine Vorstellung davon, was realistisch ist bzw. was zu Verzögerungen führen kann. Dies kann Studierenden beim Einordnen ihrer individuellen Erfahrungen helfen.
- Weisen Sie Studierende darauf hin, dass sie auch Betreuungspflichten und eventuelle Berufstätigkeit in ihrer Planung berücksichtigen sollten.
- Vereinbaren Sie mit den Studierenden ggf. Check-Ups und / oder Zwischenabgaben (z.B. Struktur / Planung eines Kapitels / ein Kapitel). Vereinbaren Sie außerdem, welches Feedback Sie auf welche Zwischenschritte geben und worauf Sie jeweils den Schwerpunkt legen.
Der „Planer für Abschlussarbeiten“ und das Handout „Arbeits- und Zeitplan“ können Studierende durch das ganze Projekt hinweg unterstützen.
c. Studierende beim „am Ball bleiben“ unterstützen
Die Masterarbeit kann für viele Studierende eine sehr einsame Erfahrung sein, besonders wenn sie nicht in eine Arbeitsgruppe oder das Institut eingebunden sind (z.B. als Studienassistent*in). Gerade wenn die Studierenden keine anderen Berührungspunkte mit der Universität haben, z.B. wenn sie bereits alle Pflichtlehrveranstaltungen im Master bereits abgeschlossen haben, ist der Kontakt zur Betreuungsperson der einzige Anknüpfungspunkt zur Universität.
So können Sie Studierende dabei unterstützen, „am Ball zu bleiben“ und die Verbindung zum Studium bzw. der Universität nicht zu verlieren:
- Ermutigen Sie die Studierenden, auch ohne viel Fortschritt in die Sprechstunde zu kommen und von ihrem Arbeitsprozess zu erzählen.
- Wenn Studierende Schwierigkeiten damit haben, ihr Projekt anzugehen, vereinbaren Sie am Ende der Sprechstunde den nächsten Termin sowie zwei bis drei unterschiedlich aufwändige To-Dos, von denen sie bis dahin eines bearbeiten sollen. Damit stellen Sie größere Verbindlichkeit für die Studierenden her.
- Vereinbaren Sie „Lebenszeichen“: Laden Sie die Studierenden ein, regelmäßig kurze E-Mail- Updates zu senden. Mit einer kurzen Antwort vermitteln Sie den Studierenden das Gefühl, gesehen zu werden, was ihre Motivation fördert und die Anbindung an die Universität stärkt.
- Wenn sich Studierende über einen längeren Zeitraum nicht melden, fragen Sie per E-Mail nach: Die Frage sollte sich auf den Status Quo und nicht den Fortschritt beziehen, da Studierende sich sonst unter Druck gesetzt fühlen können und sich ggf. schämen zuzugeben, dass nichts weitergegangen ist. Eine andere Möglichkeit ist es, sich nach aktuellen Fragen zu erkundigen. Dies hilft, dem „Verschwinden“ vorzubeugen, und ermöglicht es, auch ggf. Schwierigkeiten zu adressieren.
- Regen Sie Tandems oder Kleingruppen unter Ihren Studierenden an, damit diese sich regelmäßig Feedback geben und ggf. zum Arbeiten (Schreiben, Daten auswerten, etc.) treffen können. Diese Kleingruppen müssen von Ihnen initiiert werden und brauchen einen Raum, in dem sie sich treffen können. Die Verantwortung für die Gruppe kann nach der Gründungsphase auch an die teilnehmenden Studierenden (z.B. ein*e Studienassistent*in von Ihnen) übergehen.
- Weisen Sie Studierende auf vorhandene Ressourcen und Unterstützungsangebote hin, etwa den MOOC „Was mach ich hier eigentlich? Den Master meistern!“, Schreibgruppen am Institut oder Schreibgruppen außerhalb des Instituts (z.B. die Abschlussarbeitsgruppe der psychologischen Studierendenberatung oder die Schreibtage des CTL).
5. Der Übergang von Betreuung zu Beurteilung
Als Beurteilende*r müssen Sie das Ergebnis eines Prozesses, den Sie begleitet haben, beurteilen und die Note mit einem Gutachten begründen. Dies eröffnet nach dem Transparent-Machen von Erwartungen und der Bewegung zwischen Anleitung und dem Ermöglichen von Autonomie das dritte Spannungsfeld dieses Beitrags: da Sie einerseits ein Projekt begleiten und dabei auf persönlicher und fachlicher Ebene Fortschritte beobachten, andererseits am Ende das Produkt „Masterarbeit“ in den Händen halten, welches vielleicht nicht alles widerspiegelt, was Sie im Betreuungsprozess beobachtet haben.
Diese Doppelrolle Betreuende*r – Beurteilende*r ist für die meisten Betreuenden nicht neu: Auch bei Seminararbeiten nehmen Lehrende beide Rollen ein. Masterarbeiten unterscheiden sich allerdings von Seminararbeiten darin, dass die Betreuung von Masterarbeiten mit Ausnahme des Begleitseminars zur Masterarbeit meist nicht in Seminaren stattfindet. Zudem dauert das Verfassen einer Masterarbeit länger und sie hat für viele Studierende einen hohen Stellenwert, da sie den Abschluss des Studiums und damit eines prägenden Lebensabschnitts darstellt. In der Praxis ergibt sich ein inhärenter Widerspruch daraus, dass die Person die Arbeit bewertet, die das Masterarbeitsprojekt betreut hat.[11]
Die Einzelbetreuung gibt in vielen Fällen Einblick ins persönliche Leben der Studierenden; zugleich investieren Betreuende viel Zeit und Ressourcen, um sich in ein Projekt einzudenken, das nicht das eigene ist.[12] Daraus können sich verschiedene Schwierigkeiten ergeben. Es kann frustrierend sein, wenn Studierende Ratschläge nicht verstehen oder anders umsetzen als intendiert. Genauso kann es schwierig sein, viel Einblick in die privaten Kontexte der Studierenden zu bekommen und im Anschluss eine weniger gut gelungene Arbeit adäquat zu beurteilen.
Auch wenn sie nicht vollständig vermeidbar sind, gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich vor solchen Schwierigkeiten zu wappnen:
- Dokumentieren Sie fortlaufend: Klären Sie für sich als Betreuer*in von Beginn des Betreuungsverhältnisses an, was Sie mit welcher Gewichtung beurteilen und was Sie dafür dokumentieren (müssen). Damit haben Sie von Anfang an einen Überblick über die Informationen und Dokumentation, die das Schreiben des Gutachtens am Ende des Prozesses erleichtern.
- Sprechen Sie mit Studierenden über Beurteilungskriterien: Besprechen Sie offen und immer wieder mit Ihren Studierenden, was für Sie eine gute Masterarbeit ausmacht. Damit schaffen Sie Transparenz in Bezug auf Ihre Beurteilungskriterien, die Mindestanforderungen und was, z.B. im Kontext der Nutzung von KI-Tools, dokumentiert werden sollte.
- Setzen Sie quantitative Grenzen: Eine häufig von Betreuenden gewählte Strategie, um die Autonomie der Studierenden zu wahren und die eigene Arbeitszeit zu schützen, ist es, Grenzen in der Anzahl und Frequenz der Rückmeldungen zu setzen. Dies gewährleistet auch, dass die Studierenden Verantwortung über ihre eigenen Projekte behalten. Legen Sie fest, wie viele Betreuungstreffen Sie im Normalfall mit den Studierenden haben und auf wie viel Text Sie Feedback geben, damit die Masterarbeit die Leistung der Studierenden bleibt.
- Der Betreuungsprozess sollte nicht Teil der Beurteilung sein: Vermeiden Sie es, den Betreuungsprozesses generell zu beurteilen, da so die Hemmschwellen der Studierenden, bei Problemen an Sie als Betreuer*in heranzutreten, höher sind. Stehen Studierende zwischen zwei Noten, kann der Rückblick auf den Betreuungsprozess aber für die Entscheidung über die Beurteilung herangezogen werden.
- Kommunizieren Sie Ihren Rollenwechsel von Betreuer*in zu Beurteiler*in klar: Kommunizieren Sie den Studierenden, wie lange und für welche Fragen Sie als Betreuer*in zur Verfügung stehen und ab wann Sie den Rollenwechsel zur*zum Beurteiler*in vollziehen.
Wollen Sie sich mit Kolleg*innen über die Gratwanderung zwischen Betreuung und Beurteilung austauschen? Sie können dies etwa im Rahmen von Workshops (z.B. Supervision und kollegialer Lehrberatung für Lehrende), Coachings oder in einem Beratungsgespräch am Center for Teaching and Learning.
Sie schließen das Betreuungsverhältnis mit der Abgabe der Masterarbeit und dem Schreiben des Gutachtens ab. Das Gutachten ist eine schriftliche Begründung der Note und stellt studienrechtlich eine gutachterliche Stellungnahme dar. Sie bezieht sich auf die fertige Masterarbeit, also das Endprodukt des Forschungs- und Betreuungsprozesses und macht die Note transparent. Damit ist es eine rechtliche Absicherung der Beurteilung. Das Handout „Gutachten“ enthält die wichtigsten Rahmenbedingungen und kann Ihnen beim Schreiben eines Gutachtens zur Orientierung dienen. Nach der Beurteilung haben Studierende das Recht, innerhalb von sechs Monaten die Beurteilungsunterlagen, insbesondere das Gutachten, zu bekommen (zumeist vom SSC per E-Mail).
Beim Schreiben eines Gutachtens ist es wichtig, Schwerpunkte zu setzen und inhaltlich wie formell die Kriterien präsent zu haben, nach denen Sie die Masterarbeit beurteilen.
- An einigen Studienrichtungen wurden bereits Mindeststandards erarbeitet (z.B. Institut für Anglistik und Amerikanistik: Assessment Criteria for Theses, Fakultät für Psychologie: Vorlage Gutachten zur Masterarbeit). Klären Sie, ob es auch an Ihrer Studienrichtung Richtlinien dieser Art gibt, was eine gute Masterarbeit ausmacht.
- Im MOOC „Was mach ich hier eigentlich? Den Master meistern!“ sprechen Lehrende aus verschiedenen Studienrichtungen in einem Video in Lektion 4 darüber, was für sie eine gute Masterarbeit ausmacht.
- Wird eine Masterarbeit negativ beurteilt, können Studierende sie anhand des Gutachtens überarbeiten und neu einreichen. Eine negative Beurteilung sollte allerdings die Ausnahme sein und nur dann erfolgen müssen, wenn alle beschriebenen Maßnahmen nicht zielführend waren.
Quellen
[1] Masterarbeiten erfolgreich betreuen. Handbuch für Lehrende 2022 URL: https://wiki.univie.ac.at/display/HFL/Masterarbeiten+erfolgreich+betreuen.
[2] Webster, Frank, David Pepper, und Alan Jenkins. „Assessing the Undergraduate Dissertation“. Assessment & Evaluation in Higher Education 25, Nr. 1 (1. März 2000): 72.
[3] Harwood, Nigel, und Bojana Petrić. Experiencing Master’s Supervision: Perspectives of International Students and Their Supervisors. Routledge, 2016: 8. doi.org/10.4324/9781315680934.
[4] Brown, George, und Madeleine Atkins. Effective Teaching in Higher Education. London; New York: Routledge, 1988: 120.
[5] De Kleijn, Renske A.M., Larike H. Bronkhorst, Paulien C. Meijer, Albert Pilot und Mieke Brekelmans. „Understanding the up, Back, and Forward-Component in Master’s Thesis Supervision with Adaptivity“. Studies in Higher Education 41, Nr. 8 (2016): 1463–1479: 1464. https://doi.org/10.1080/03075079.2014.980399; Klein, Andrea und Natascha Miljković. Mein Start in die Hochschullehre: Ratgeber für Erstlehrende. Stuttgart: UTB, 2019: 122.
[6] Nach Wolfsberger, Judith. Frei geschrieben: Mut, Freiheit & Strategie für wissenschaftliche Abschlussarbeiten. Wien [u.a.]: Böhlau, 2007; Girgensohn, Katrin, und Nadja Sennewald. Schreiben lehren, Schreiben lernen: eine Einführung. Einführungen Germanistik. Darmstadt: WBG, 2012.
[7] Girgensohn, Katrin, Hrsg. Kompetent zum Doktortitel: Konzepte zur Förderung Promovierender. Key Competences for Higher Education and Employability. Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwissenschaften, 2010.
[8] de Kleijn et al. 2016: 1474.
[9] Girgensohn & Sennewald 2012.
[10] Vode, Dzifa. Über das Schreiben sprechen: Peer-Lernen in akademischen Schreibgruppen. Theorie und Praxis der Schreibwissenschaft. Bd. 15. Bielefeld: wbv Publikation, 2023.
[11] de Kleijn et al. 2016: 1472.
[12] Bolker, Joan. Writing Your Dissertation in Fifteen Minutes a Day. New York: Owl Books, 1998: 159.
Empfohlene Zitierweise
Unterpertinger, Erika: Masterarbeiten betreuen. Infopool besser lehren. Center for Teaching and Learning, Universität Wien, Februar 2025. [https://infopool.univie.ac.at/startseite/lehren-betreuen/masterarbeiten-betreuen/]
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