Studienzielorientierte Methodenwahl
Barbara Breen-Wenninger und Barbara Louis
Mai 2020
1. Lehr-/Lernmethoden
Lehr-/Lernmethoden sind die Mittel, mit denen Sie Ihre Studierenden beim Erreichen der Studienziele (und der darin ausgewiesenen Kenntnisse und Kompetenzen) unterstützen. Wenn Sie in der Lehrplanung aus der großen Fülle möglicher Methoden auswählen müssen, hilft Constructive Alignment: Die geeigneten Lehr-/Lernmethoden ermöglichen den Studierenden, das zu erlernen und zu üben, was sie laut Studienzielen wissen und können sollten. Für die Leistungsüberprüfungen bedeutet dies: die besten Instrumente zeigen die Annäherung an die Studienziele so direkt wie möglich auf (siehe auch Kompetenzorientiertes Prüfen).
Tipp: Je anspruchsvoller die Studienziele, umso wichtiger ist es, unterschiedliche Methoden einzusetzen.[1] Ein Beispiel: Wenn die Studierenden die korrekte Bedienung eines Elektronenmikroskops erlernen sollen, werden ein Vortrag und die Lektüre eines Lehrbuchkapitels nicht ausreichen, sondern die Studierenden müssen auch die Gelegenheit zur praktischen Anwendung bekommen.
Neben den Studienzielen haben verschiedene weitere Faktoren Einfluss auf die Wahl von Lehr-/Lernmethoden: natürlich die Inhalte einer Lehrveranstaltung, der Lehrveranstaltungstyp und die Rahmenbedingungen (prüfungsimmanent oder nicht prüfungsimmanent, Anzahl der Teilnehmer*innen)[2], die Zielgruppe und ihr Vorwissen (bspw. Phase des Studiums), sowie die vorhandenen Ressourcen (bspw. räumliche und zeitliche Ressourcen, digitale Elemente, tutorielle Unterstützung).
2. Nicht-prüfungsimmanente Lehrveranstaltungen
Nicht prüfungsimmanente Lehrveranstaltungen sind meist Vorlesungen. Dieses Format eignet sich besonders gut für Studienziele, die Wissensvermittlung und Kenntniserwerb zum Inhalt haben. Traditionellerweise sind Vorlesungen durch einen geringeren Grad an Interaktion und Studierendenaktivität und daher hauptsächlich durch darbietende und eher lehrendenzentrierte Lehr-/Lernmethoden (z.B. (Frontal-)Vortrag, Demonstration) charakterisiert.[3] Dabei strukturiert die Lehrperson die Inhalte und beeinflusst Lehr-/Lernprozesse, indem sie vorträgt, erläutert, demonstriert. Vorträge sind idealerweise mit Präsentationsfolien (siehe auch Video mit Tipps zur Gestaltung, besonders ab Minute 7:30) visualisiert.
Auch in Vorlesungen ist es möglich weitere Lehr-/Lernaktivitäten einzusetzen, die den Vortrag ergänzen (siehe dazu auch das Video Vorlesungsrhetorik). Dazu gehören motivierende Methoden als Einstieg in Lehreinheiten (z.B. Brainstorming) oder auch die Aktivierung und Strukturierung von Vorwissen der Studierenden, die damit neue Lehr-/Lerninhalte in den bestehenden Erfahrungshorizont einbinden, z.B. durch Advance Organizer, Concept-Mapping, Mind-Mapping und dergleichen. Zur Aktivierung von Studierenden während der Vorlesung oder zur schnellen Überprüfungen des Wissensstandes eignen sich so genannte Student Response Systems; an der Universität Wien wird Arsnova verwendet.
In den letzten Jahren wurden als Modifizierung des traditionellen Vorlesungsmodells vermehrt Gestaltungsvarianten für Vorlesungen entwickelt, in denen Studierende als aktive Teilnehmer*innen in das LV-Geschehen eingebunden sind (mehr dazu siehe Flipped Classroom). Ziel ist es, mit vorbereitenden Materialien, Zwischentests und interaktiven Präsenzeinheiten Studierende im kontinuierlichen Mitlernen der Studierenden während des Semesters zu fördern.
3. Prüfungsimmanente Lehrveranstaltungen
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltungen finden sich im Curriculum als Proseminare, Seminare, Übungen, Laborpraktika etc. und weisen einen höheren Grad an Interaktion und Studierendenaktivität auf als Vorlesungen. Neben dem Erwerb von Kenntnissen beziehen sich Studienziele hier verstärkt auf die Entwicklung von komplexeren Kompetenzen, wofür sich studierendenzentrierte Lehr-/Lernmethoden eignen, die Gelegenheiten zum Erarbeiten und Üben der angestrebten Kompetenzen bieten.
Die Abstimmung Ihrer Lehre auf die angestrebten Lernergebnisse umfasst die Auswahl von didaktischen Methoden und einzelnen Lehr-/Lernaktivitäten, die den Kompetenzaufbau der Studierenden bestmöglich unterstützen sollen. Einige dieser Lehr-/Lernaktivitäten können gleichzeitig für die Leistungsüberprüfung herangezogen werden und haben somit eine Doppelfunktion im Lehr-/Lernkonzept (siehe Kompetenzorientiertes Prüfen).
4. Studienzielorientierte Auswahlhilfen für Lehr-/Lernmethoden
Die folgende Tabelle stellt exemplarisch dar, welche häufig verwendeten Lehr-/Lernmethoden sich typischerweise für welche Studienziele eignen. Sie ist natürlich nicht vollständig und soll Ihnen lediglich zur groben Orientierung dienen. Abweichungen von der Darstellung sind möglich. Vor allem hängt die Eignung für die jeweiligen Studienziele sehr stark von der tatsächlichen Ausgestaltung und der Durchführung der einzelnen Methoden ab (z.B. eignet sich eine traditionelle Vorlesung primär für Wissenserwerb, allerdings werden durch interaktive Gestaltung auch Ziele auf einer höheren Niveaustufe realistisch).
Abschließend finden Sie eine Übersicht mit einer kleinen Auswahl der vielen möglichen Lehr-/Lernaktivitäten zur Erreichung der sechs kognitiven Anspruchsniveaus nach Bloom, differenziert nach Handlungen von Lehrenden einerseits und Studierenden andererseits.[5] Sie soll Ihnen als weitere Illustration dienen, aber auch als Anregung für die eigene Detailplanung von einzelnen Lehrveranstaltungseinheiten.
Wissen
Handlungen von Lehrenden
Organisieren Inhalte in sinnvollen Blöcken; heben zentrale Ideen hervor, zeigen Muster und Verbindungen zwischen Ideen oder Konzepten auf, verwenden visuelle Hilfsmittel.
Handlungen von Studierenden
Üben Informationen abzurufen, aufzulisten und neu zu formulieren; üben Definitionen und zentrale Konzepte in eigenen Worten wiederzugeben.
Verstehen
Handlungen von Lehrenden
Erläutern neues Material und skizzieren es in vereinfachter Form; erklären mithilfe von spezifischen Beispielen und Anwendungsfällen.
Handlungen von Studierenden
Fassen Inhalte zusammen, erklären und beschreiben diese; veranschaulichen das Gelernte, erläutern Details und übertragen Inhalte auf andere Kontexte.
Anwenden
Handlungen von Lehrenden
Führen verschiedene Beispiele für ein Phänomen an; stellen nötige Informationen für die Anwendung zur Verfügung und erklären den Kontext; beschreiben die nötigen Schritte einer bestimmten Anwendung; setzen geeignete Fragen ein, um Studierende in die richtige Richtung zu leiten.
Handlungen von Studierenden
Formulieren eigene Beispiele für ein Phänomen; wenden Konzepte auf konkrete Problemstellungen an; wählen geeignete Problemlösungsstrategien aus; lösen Probleme; berechnen Parameter; gestalten Szenarien; übertragen Lösungswege auf andere Beispiele.
Analysieren
Handlungen von Lehrenden
Zeigen zentrale und weniger wichtige Elemente von Inhalten auf; heben Zusammenhänge zwischen Konzepten hervor; erklären unterschiedliche Denkstrategien; erläutern, wie sie Denkfehler und Trugschlüsse erkennen; erklären und zeigen vor, wie sie selbst im fachlichen Arbeiten vorgehen; ermutigen Studierende, ihr eigenes Denken zu reflektieren und evaluieren.
Handlungen von Studierenden
Erklären verschiedene Denkstrategien; üben, verschiedene Denkstrategien anhand von praktischen Beispielen anzuwenden; vergleichen und kategorisieren Phänomene; ordnen Inhalte ein; üben Denkfehler und Trugschlüsse zu erkennen.
Kreieren
Handlungen von Lehrenden
Erklären Prozesse und Methoden wissenschaftlichen Arbeitens; illustrieren Beispiele der Generierung von Forschungsfragen und Hypothesen; interpretieren Forschungsergebnisse; zeigen kreative Beispiele von Problemlösungen; stellen Fragen, auf die es mehrere guten Antworten gibt; ermutigen Studierende zu selbstständigem Denken und zu originellen Herangehensweisen.
Handlungen von Studierenden
Lösen Problemstellungen, die neue, kreative Zugänge erfordern; erstellen ein Forschungsdesign; verfassen eine schriftliche Arbeit zum Thema der Lehrveranstaltung; bearbeiten Daten, um herausfordernde Fragestellungen zu lösen; konzeptualisieren Probleme neu, um andere Lösungsperspektiven zu erschließen.
Bewerten
Handlungen von Lehrenden
Schaffen Situationen, die Meinungen, Einstellungen und Überzeugungen herausfordern; erklären, wie Beweise, Logik, stringente Argumentation und Bewertungskriterien zu erkennen sind und selbst erarbeitet werden können; erläutern anhand von Beispielen, welche Faktoren Zugänge und Interpretationen beeinflussen können.
Handlungen von Studierenden
Schätzen Informationen, Ergebnisse und Interpretationen ein; identifizieren Faktoren, die Zugänge und Interpretationen beeinflussen; ermitteln Fehler und Widersprüche in einem Beispiel; begutachten eine wissenschaftliche Studie oder eine schriftliche Arbeit und begründen ihre Einschätzung; bewerten mögliche Zugänge oder Interpretationen zu einer Problemstellung und argumentieren ihre Kriterien.
Zum Weiterlesen
- Breen-Wenninger, Barbara/Louis, Barbara: Orientierung an Studienzielen & Constructive Alignment. Infopool besser lehren. Center for Teaching and Learning, Universität Wien, Mai 2020.
- Schott, Reinhard: Kompetenzorientiertes Prüfen. Infopool besser lehren. Center for Teaching and Learning, Universität Wien, November 2017
Quellen
[1] Nilson, Linda B. Teaching at Its Best: A Research-Based Resource for College Instructors, 4. Aufl. San Francisco: Jossey-Bass, 2016, 130.
[2] Zur Unterscheidung von prüfungsimmanenten und nicht prüfungsimmanenten Lehrveranstaltungen siehe Handbuch für Lehrende, Universität Wien, 2019, z.B. Kapitel 6.1.1 (S. 32-33) und 6.2. (S. 39ff). https://intra.univie.ac.at/fileadmin/download/Handbuch_f%C3%BCr_Lehrende.pdf [letzter Zugriff am 12.05.2020]
[3] Einsiedler, Wolfgang. Lehrmethoden. Probleme und Erkenntnisse der Lehrmethodenforschung. München: Urban & Schwarzenberg, 1981.
[4] Siehe z.B. Nilson. Teaching at Its Best, 134 [1].
[5] Siehe auch Nilson. Teaching at Its Best, 135-139 [1].
Empfohlene Zitierweise
Breen-Wenninger, Barbara/Louis, Barbara: Studienzielorientierte Methodenwahl. Infopool besser lehren. Center for Teaching and Learning, Universität Wien, Mai 2020.
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