Leistungsbeurteilung in prüfungsimmanenten Lehrveranstaltungen (2)

Heidi Niederkofler

November 2020

PDF zum Download

Formative und summative Leistungsüberprüfung

Für die didaktische Planung von kompetenz- und studienzielorientierten Lernprozessen inklusive deren Überprüfung ist die Unterscheidung von Leistungsprüfungen nach ihrer summativen oder formativen Funktion sinnvoll.

Wenn von Prüfungen gesprochen wird, dann denken wir meist an summative Leistungsüberprüfungen. Diese finden klassischerweise zu Semesterende statt und haben das Ziel, den Lernstand von Studierenden festzustellen: Das ermittelte Ergebnis dient in den meisten Fällen dazu, den geprüften Studierenden Berechtigungen zu weiteren Ausbildungsstufen oder Beschäftigungen (nicht) zu vergeben. Zentral für das summative Vorgehen sind demnach Bewertung und Orientierung am Ergebnis.

Bei formativen Leistungsüberprüfungen stehen hingegen Beobachtung und Unterstützung von Lehr-/Lernprozessen im Zentrum: Lehrenden dient die Feststellung des Lernstandes oder der Fertigkeiten und Fähigkeiten der Studierenden einerseits dazu, den Lernenden Rückmeldungen und damit Hinweise für die folgenden Lernhandlungen zu geben. Die formativen Überprüfungen müssen hierfür begleitend zum Lernprozess stattfinden, damit differenzierte Rückmeldungen und rechtzeitige Lernhilfen möglich sind.[1] Andererseits sind formative Formate für Lehrende hilfreich, da sie auf diese Weise Rückmeldungen erhalten (z. B. zum Lernfortschritt, zu Verständnis und Unklarheiten) und ihre Lehre entsprechend adaptieren können.

In der englischen Definition wird die unterschiedliche Ausrichtung deutlich auf den Punkt gebracht:[2]

  • Summative Leistungsüberprüfung: Assessment of Learning
  • Formative Leistungsüberprüfung: Assessment for Learning

1. Teilleistungen als formative Leistungsüberprüfungen

Eine formative Teilleistung – es kann eine Textzusammenfassung, eine Rechenaufgabe, eine Kurzpräsentation, ein Laborversuch oder Ähnliches sein – wird nicht benotet, sondern die Leistung ist die Grundlage für spezifisches Feedback an Studierende in Hinblick auf produktive Vorgehensweisen, feststellbare Schwierigkeiten oder häufige Fehler. Feedback kann vielfältig eingesetzt werden, je nach Setting und Möglichkeiten: Als Feedback der Lehrperson, als Peer-Feedback oder in Kombination, es kann individuell gegeben werden oder zusammengefasst die Lerngruppe betreffend. Wird das Feedback mit konkreten Verbesserungshinweisen kombiniert, stärkt dies das Selbstwirksamkeitsgefühl von Studierenden.

Beide Varianten, die summative und die formative Überprüfung, können in Lehrveranstaltungen kombiniert werden: Da verschiedene Intentionen damit verbunden sind, schließen sie einander keineswegs aus. Wichtig ist allerdings darauf zu achten, die beiden Funktionen nicht zu vermischen: „Prüfungen, welche den Lernprozess begleiten und unterstützen […], (sollen) nicht gleichzeitig eine summative Funktion übernehmen“.[3] Klären Sie mit den Studierenden im Vorhinein , welche Teilleistung eine fördernde oder eine bewertende/beurteilende Funktion hat.

Einfach und schnell einsetzbare Instrumente, um formativ das Lernen der Studierenden zu unterstützen, sind sogenannte Classroom-Assessment-Techniques (CATs). Diese Methoden dienen Lehrenden bei der Klärung, was ihre Studierenden lernen und wo noch Unterstützungsbedarf besteht. Zudem kann durch diese Techniken das Lehren selbst reflektiert werden.[4] Für die Anwendung ist es wichtig, dass CATs anonym durchgeführt werden, keine Benotung nach sich ziehen und dass die Ergebnisse an die Lernenden rückgemeldet werden und auf diese Weise ein gemeinsamer Dialog über Lehr-/Lernprozesse entsteht. CATs sind prinzipiell vielfältig einsetzbar, von der Abklärung der Lernvoraussetzungen über den studentischen Lernprozess bis hin zu Lernergebnissen.

2. Umsetzungsszenarien

Auf Lernvoraussetzungen zielt folgende Methode: Laden Sie die Teilnehmer*innen zu Beginn der Lehrveranstaltung ein, ihre persönliche Kognitive Landkarte zum LV-Thema zu skizzieren. Die Auswertung gibt Aufschluss darüber, welche Teilgebiete bereits bekannt sind und wie heterogen die Lernvoraussetzungen sind.[5]

Ein Beispiel, das auf den Lernprozess fokussiert, nennt sich Muddiest Point bzw. Schwammigster Punkt: Bitten Sie die Teilnehmer*innen am Ende einer Einheit, den aus ihrer Sicht schwammigsten Punkt zu notieren samt einer kurzen Erklärung für diese Einordnung. Damit erhalten Sie die Möglichkeit, den Lerninhalt durch die Augen der Teilnehmer*innen zu sehen und zu adaptieren.

Ein Beispiel, das auf die Lernergebnisse zielt, nennt sich RSQC2-Methode: Die Teilnehmer*innen beantworten fünf kurze Fragen, in denen sie 1. die wichtigsten Lernergebnisse nennen (recall), 2. in einem Satz zusammenfassen (summarize), 3. ein bis zwei offene Fragen zum Thema formulieren (question), 4. den Zusammenhang zwischen den genannten Punkten und der Lehrveranstaltung herstellen (connect) und 5. ein bis zwei Kommentare zur Einheit formulieren (comment). Diese Methode fördert die Festigung der Lernergebnisse und weist Sie darauf hin, wo die Ergebnisse von den erwarteten Studienzielen abweichen.

Tipp zur Umsetzung in Moodle:

Für die CATs RSQC2 und Schwammigster Punkt stehen Ihnen Templates auf Moodle zur Verfügung, die Sie direkt in Ihren Kurs importieren können.

Quellen:

[1] Metzger, Christoph, und Charlotte Nüesch. Fair prüfen. Ein Qualitätsleitfaden für Prüfende an Hochschulen. St. Gallen: Institut für Wirtschaftspädagogik, 2004, 5.

[2] Walzik, Sebastian. Was lernen die Studierenden in meiner Lehrveranstaltung wirklich? Lernerfolgskontrollen formativ einsetzen. Vortrag im Rahmen der CTL-Lecture am 6. Dezember 2018 am Center for Teaching and Learning der Universität Wien. https://www.youtube.com/watch?v=yOjLdMPx4Ys [letzter Zugriff am 23.09.2020]

[3] Metzger und Nüesch, Fair prüfen, 5 [1].

[4] Angelo, Thomas A., und K. Patricia Cross. Classroom Assessment Techniques: A Handbook for College Teacher. San Francisco: Jossey-Bass, 1993.

[5] Für ein Praxisbeispiel der Anwendung von kognitiven Landkarten an der Universität Wien siehe das folgende Video mit Tilo Grenz: „Warum halten Studierende bestimmte Lehrinhalte für relevant?“ [letzter Zugriff am 15.10.2020]

Empfohlene Zitierweise

Niederkofler, Heidi: Leistungsbeurteilung in prüfungsimmanenten Lehrveranstaltungen (2). Formative und summative Leistungsüberprüfung. Infopool besser lehren. Center for Teaching and Learning, Universität Wien, November 2020. [https://infopool.univie.ac.at/startseite/pruefen-beurteilen/leistungsbeurteilung-in-pruefungsimmanenten-lehrveranstaltungen/2-formative-und-summative-leistungsueberpruefung/]

Dieser Text ist lizenziert unter Creative Commons
Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Österreich (CC BY-SA 3.0 AT)
Mehr Informationen unter https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/at/