Leistungsbeurteilung in prüfungsimmanenten Lehrveranstaltungen (3)

Heidi Niederkofler

November 2020

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Teilleistungen konzipieren

Für die Konzeption der für pi LVs typischen Teilleistungen sind die Studienziele der Lehrveranstaltung ausschlaggebend: Daraus lassen sich Zwischenschritte im Sinne von Teilleistungen ableiten, die Studierende bei der Erreichung der Studienziele unterstützen.

Da sich der Prüfungsvorgang in pi LVs über das gesamte Semester erstreckt, ist es wichtig, Lerngelegenheiten zu schaffen, die nicht oder nur gering gewichtet beurteilt werden. Dadurch ermöglichen Sie eine Lehr-/Lernkultur, in der Fehler und das Lernen daraus produktiv genutzt werden können.

Die folgenden Aspekte sind bei der Konzeption von Teilleistungen relevant und stehen in wechselseitigem Zusammenhang.

1. Anzahl

Bei der Überlegung, wie viele Teilleistungen Ihre pi LV enthalten soll, ist studienrechtlich eine Vorgabe relevant: Eine Mindestanzahl von zwei mündlich oder schriftlich zu erbringenden Teilleistungen ist vorgeschrieben. Als Lehrperson haben Sie demnach große Gestaltungsfreiheit bei der Festlegung der passenden Anzahl an Teilleistungen, außer in den Fällen, wo es curriculare Regelungen gibt. In Zusammenhang mit der Frage nach der Anzahl steht auch die Gewichtung, dazu mehr unter Punkt 5.

Überlegungen Sie bei der Anzahl von Teilleistungen auch, wie zuverlässig diese studentische Leistungen messen (Reliabilität, ausführlich zu Gütekriterien für Prüfungen hier). Allgemein gilt, dass eine höhere Anzahl von mittel aufwendigen Teilleistungen in der Regel zu einer höheren Zuverlässigkeit führt als etwa zwei aufwendige Aufgaben.[1] Allerdings bedeutet die Konzeption, Rückmeldung und Beurteilung einer höheren Anzahl von Teilleistungen meist einen hohen Arbeitsaufwand für Lehrende.

Tipp:

Entscheiden Sie sich anfangs für drei bis maximal fünf Teilleistungen. Evaluieren Sie nach Semesterende, wobei Sie insbesondere auf das Verhältnis von Reliabilität der Leistungsfeststellung und eigener Zeitökonomie achten. Bessern Sie für einen weiteren Durchgang der Lehrveranstaltung gegebenenfalls nach.

2. Gestaltung

Achten Sie darauf, dass Sie den Studierenden Sinn und Ziel der jeweiligen Aufgaben transparent vermitteln und die Aufgabenstellungen Ihre Erwartungshaltung widerspiegeln: Damit helfen Sie Studierenden bei der Orientierung.

Für die Gestaltung bedeutet dies, dass jede Teilleistung (wie auch jede Aufgabe) so konzipiert sein soll, dass für Studierende der Sinn deutlich wird und sie einen klaren Zusammenhang zu den Lehr-/Lernzielen der Lehrveranstaltung herstellen können. Ausführlich zur Gestaltung von Aufgabenstellungen.

Als Lehrende*r können Sie bei den Teilleistungen auch Optionen zur Wahl bereitstellen, die in ihrem Schwierigkeitsgrad vergleichbar sind und ähnliche Kompetenzen sichtbar machen. Beispiele dafür sind: einen Kurzinput halten oder eine Diskussion protokollieren; eine Posterpräsentation gestalten oder eine Textanalyse verfassen.  Diese Bereitstellung verschiedener Optionen kommt heterogenen Studierendengruppen mit unterschiedlichen Kompetenzen und Fähigkeiten entgegen und ist im Sinne alternativer oder individueller Lern- und Prüfungsformate wünschenswert (siehe auch Individualisierung und Differenzierung).

3. Exkurs: Gestaltung barrierefreier Leistungsüberprüfungen

Sind für Studierende mit Beeinträchtigungen Leistungsüberprüfungen im vorgeschriebenen Modus nicht chancengleich möglich, so bedarf es eines Nachteilsausgleichs durch abweichende Formate. Dabei wird der Modus der Überprüfung individuell verändert bzw. flexibel gestaltet, aber mit gleichem Inhalt und der Erbringung einer vergleichbaren Leistung. Hierzu gibt es verschiedene Möglichkeiten:

  • Alternative Modalitäten, wie z. B. verlängerte Prüfungszeiten bei schriftlichen Prüfungen, mündliche Prüfungen statt schriftlicher oder umgekehrt, die Hinzuziehung von Gebärden- bzw. Schrift-Dolmetscher*innen, eine Verlängerung von Abgabefristen.
  • Alternative Leistungsfeststellungen, wie z. B. Aufzeichnung eines Referats auf Video statt Abhaltung im Hörsaal, schriftliche oder mündliche Erbringung einer vereinbarten Leistung statt Anwesenheit in prüfungsimmanenten Lehrveranstaltungen usw.

Studierende mit Beeinträchtigungen haben einen rechtlichen Anspruch auf abweichende Leistungsüberprüfungen, betroffene Studierende werden durch proaktive Informationen von Lehrenden unterstützt und gestärkt. Ausführliche Informationen und Beratung erhalten Sie vom Team Barrierefrei. 

Studierende mit Beeinträchtigungen haben die Möglichkeit, eine Prüfung oder eine pi LV aus wichtigem Grund abzubrechen, wobei der Prüfungsantritt bzw. der Besuch der Lehrveranstaltung nicht gewertet werden. Der Abbruch bzw. die Abmeldung von der Lehrveranstaltung haben demnach keine studienrechtlichen Konsequenzen für die betreffenden Studierenden. Ausführlicher dazu und zu den Abläufen informiert das Team Barrierefrei.

4. Sequenzierung

Bei der Konzeption der Teilleistungen (wie auch der Aufgaben) ist es zweckmäßig darauf zu achten, dass diese eine sinnvolle Kette bilden in Hinblick auf Wissens- und Kompetenzaufbau und Komplexitätsgrade. Hilfreich bei der Gestaltung von zwei oder mehr Teilleistungen ist zu überlegen, wie eine geeignete Reihenfolge der Aufgaben zum Aufbau des Lernprozesses aussehen kann und in welcher zeitlichen Reihenfolge die Teilleistungen anzusetzen sind. Die zeitliche Sequenzierung im Semesterverlauf ist besonders bei formativen Teilleistungen relevant, da in diesen Fällen Feedback sowie oft auch Verbesserungen und weiterführende Arbeitsschritte vorgesehen sind und entsprechende Zeitläufe benötigen.

Die Sequenzierung der Teilleistungen kann nach verschiedenen Logiken erfolgen:[2]

  • Wiederholung: Hierbei wird ein bestimmtes Aufgabenformat gewählt, das mehrfach inhaltlich variiert wird. Z. B. werden über das Semester verteilt mehrere schriftliche Textbesprechungen zu verschiedenen Texten verlangt. Dieser Ansatz setzt auf das Potential, das sich durch die Wiederholung und damit die Festigung und Verfeinerung der Kompetenzen ergibt.
  • Steigerung: Anfänglich einfachen Teilleistungen, die teilweise Vorarbeiten darstellen können, folgen komplexe Aufgaben.
  • Portionierung: Diese Logik kommt zum Einsatz, wenn für Ihre LV eine Teilleistung von zentraler Bedeutung ist. Dabei wird diese Aufgabe in Teilaufgaben portioniert. Die verschiedenen Aspekte einer komplexen Aufgabe werden demnach gesondert behandelt und geübt, was sehr unterstützend für Studierende sein kann.

 

Bei einer Lehrveranstaltung mit mehreren kleinen Teilleistungen (und Aufgaben) ist es besonders wichtig, den Studierenden die Beziehung der Teilaufgaben zueinander zu vermitteln und den jeweiligen Bezug zu den Studienzielen herzustellen. Klarstellungen über den Sinn und das Ziel der jeweiligen Aufgabe in Hinblick auf das große Ganze unterstützen Studierende bei der Zielorientierung.

Tipp zur Portionierung einer Teilleistung in kleinere Aufgabenschritte:

Bei der Aufgabenstellung, ein Exposé zum Thema x zu verfassen, behandeln Sie die Bestandteile (Thema, Forschungsstand, Forschungsfrage, …) einzeln. Das Verfassen eines Forschungsstandes kann etwa durch die Aufgabe einer vorgelagerten Analyse von Literature Reviews unterstützt werden, wobei sich die Studierenden Wissen über das Format, die Vorgehensweise und die Sprache aneignen. Der Bogen zum großen Ganzen wird verdeutlicht, da der Forschungsstand eine wichtige Grundlage ist, (idealerweise) Forschungslücken bei einem Thema zu erkennen und daraus Forschungsfragen zu entwickeln.

5. Gewichtung

Neben der Auswahl und Reihenfolge der Teilleistungen entscheiden Sie als Lehrende in der Erstellung eines Beurteilungskonzepts auch, wie die einzelnen Leistungen in der Gesamtnote gewichtet sein sollen. Ein zentraler Ausgangspunkt für Ihre Überlegungen hier sind wiederum die Lehr-/Lernziele, die Sie mit der LV verfolgen. Teilleistungen sind mehr oder weniger geeignet, unterschiedliche Kompetenzen sichtbar zu machen. Der Einsatz dieser Teilleistungen in Ihrer LV dient damit unterschiedlichen Zwecken. Es gilt daher der Grundsatz: Die Gewichtung der Lehr-/Lernziele beeinflusst, welche Gewichtung der Teilleistungen sinnvoll ist.

Beispiel: Gewichtung einer Seminararbeit

In einem Seminar sieht die Lehrperson die Fähigkeit, Theorien vergleichend zu diskutieren als zentrales Lehr-/Lernziel an und kommuniziert dies auch an die Studierenden. Gleichzeitig ist es vor allem die abschließende Seminararbeit, die der Lehrperson einen Einblick erlaubt, inwieweit Studierende dazu im Stande sind. Es ist daher sinnvoll, wenn die Seminararbeit die am stärksten gewichtete Teilleistung ist.

Achtung: Wenn eine einzige negativ beurteilte Teilleistung zu einer negativen Gesamtnote führen kann, sind Sie als Lehrende dazu verpflichtet, Studierenden eine sog. Verbesserungsmöglichkeit anzubieten. Im Fall von Seminararbeiten kann das beispielsweise bedeuten, dass Sie den Abgabetermin früh genug wählen, damit Studierende auf Ihr Feedback reagieren können – entweder in Form einer überarbeiteten schriftlichen Arbeit oder auch in anderer Form (z.B. Gespräch, Test).

Laut Studienrecht sind die einzelnen Teilleistungen in einem sachlich angemessenen, fairen und nachvollziehbaren Ausmaß für die Beurteilung heranzuziehen. Berücksichtigen Sie dabei folgende Faktoren:

  • Idealerweise ist die Erbringung der Teilleistungen über das Semester verteilt, damit das Potenzial von pi LVs genutzt wird und das Feedback auf mehrere Aufgaben zum Lernerfolg der Studierende beiträgt.
  • Die Gewichtung ist so gestaltet, dass eine positive Beurteilung nicht nur von einer Teilleistung abhängt. Falls aus fachlichen Gründen nur eine Teilleistung de facto ausschlaggebend für die Note ist, so müssen die Studierenden gut darauf vorbereitet werden und die Möglichkeit zu Verbesserung ihrer Leistung erhalten.
  • Eine nachvollziehbare Beurteilung wird dadurch gewährleistet, dass der Beurteilungsmaßstab für Studierende transparent, verständlich und schlüssig ist, gerade auch in Hinblick auf die Gewichtung der einzelnen Teilleistungen. Ergeben sich Änderungen des Maßstabs, so jedenfalls zu Gunsten der Studierenden, müssen aber in jedem Fall an die Teilnehmer*innen und im Vorlesungsverzeichnis kommuniziert werden.

6. Exkurs: Mitarbeit

Wenn Sie Mitarbeit in Ihren pi LVs als ein Beurteilungskriterium einsetzen, spezifizieren Sie, was Sie darunter verstehen und was Sie erwarten. Studierende brauchen Informationen über die inhaltliche Erwartungshaltung der Lehrenden und wann die Mitarbeitsleistung in welcher Form erhoben wird. Eine Gleichsetzung der Mitarbeit mit Anwesenheit der Studierenden ist studienrechtlich nicht zulässig.

Mitarbeit kann die mündliche, schriftliche und praktische Beteiligung von Studierenden in der Lehrveranstaltung umfassen, ebenso die Bearbeitung von Hausübungen und Leistungen betreffend die Vor- und Nachbereitung der Lehrinhalte, unabhängig davon, ob diese in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit erbracht werden. Das impliziert, dass unter Mitarbeit nicht allein die Beteiligung während des Unterrichts im Präsenzformat gefasst wird.[3] Gerade bei digitalen Lehrformaten mit asynchronen Arbeitsphasen greift ein enges Verständnis von Mitarbeit als mündliche Mitarbeit im Hörsaal zu kurz.

Wenn Sie Mitarbeit als ein Beurteilungskriterium in pi LVs definieren, so unterstützen Sie die Studierenden mit folgenden Punkten bei der Orientierung und Nachvollziehbarkeit:

  • Benennen Sie möglichst detailliert, was im Rahmen der Lehrveranstaltung Teilaspekte von Mitarbeit sind. Beachten Sie dabei, dass die gewünschte Beteiligung den Studierenden möglich sein muss. So ist etwa ein studentisches Engagement in Form von Wortbeiträgen gerade in großen Lehrveranstaltungen schon aus zeitlichen Gründen eine Herausforderung.
  • Stellen Sie Optionen für eine aktive Beteiligung bereit. Mitarbeit, als aktive und nachvollziehbare Beteiligung innerhalb wie auch außerhalb der Präsenzlehre gefasst, eröffnet viele Möglichkeiten, wie z. B. Protokoll, Lerntagebuch, inhaltliche oder reflexive Self-Assessments zu Mitarbeit in der Lehrveranstaltung, Hausübungen, Online-Quiz, Beiträge in Foren.[4] Auch für Lehrveranstaltungsformate, die als rein digitale Lehre oder als Hybrid-Lehre (kombinierte Präsenz- und digitale Lehre) abgehalten werden, sind diese Tools gut anwendbar. Kommunizierte oder vielleicht auch gemeinsam entwickelte Beurteilungskriterien klären die Erwartungshaltung der Lehrperson und helfen Studierenden, Missverständnisse zu vermeiden.
  • Erklären Sie, bei welchen Teilaspekten die reine Erbringung und bei welchen die Qualität der Mitarbeit gewertet werden. So kann z. B. bei Wortmeldungen und schriftlichen Beiträgen danach beurteilt werden, inwieweit der disziplinspezifische Diskurs aufgegriffen wird, inhaltliche „neue“ Perspektiven oder Wiederholungen geäußert werden, der Bezug zu Texten, Theorien und Konzepten hergestellt wird oder „Meinungen“ wiedergegeben werden.[5]

Quellen:

[1] Bücker, Susanne, Meike Deimling, Janina Durduman, Julia Holzhäuser, Sophie Schnieders, Maria Tietze, Sharmina Sayeed und Michael Schneider. „Prüfung.“ In Gute Hochschullehre: Eine evidenzbasierte Orientierungshilfe: Wie man Vorlesungen, Seminare und Projekte effektiv gestaltet, herausgegeben von Michael Schneider und Maida Mustafić, 119–152. Berlin, Heidelberg: Springer, 2015, 127.

[2] Schoenike Nowacek, Rebecca, und Brad Hughes, „Sequencing Assignments over the Course of a Semester.“ https://dept.writing.wisc.edu/wac/sequencing-assignments-over-the-course-of-a-semester/ [letzter Zugriff am 08.10.2020]

[3] In der hochschuldidaktischen Literatur wird zwischen aktiver Teilnahme der Studierenden während des Unterrichts (class participation) und aktiver Teilnahme an der Lehrveranstaltung (course participation) differenziert, wobei im zweiten Fall von Aktivitäten innerhalb und außerhalb des Lehrveranstaltungsraumes die Rede ist. Vgl. dazu Peterson, Robert M.. „Course Participation: An Active Learning Approach Employing Student Documentation.“ Journal of Marketing Education 23, Nr. 3 (2001): 187–194.

[4] Wright, Jessey. „Participation in the Classroom: Classification and Assessment Techniques.“ Teaching Innovation Projects 4, Nr. 1 (2014). https://ojs.lib.uwo.ca/index.php/tips/article/view/3654/2877 [letzter Zugriff am 23.09.2020]

[5] Petress, Ken. „An operational definition of class participation“. College Student Journal 40, Nr. 4 (2006): 821–823.

Empfohlene Zitierweise

Niederkofler, Heidi: Leistungsbeurteilung in prüfungsimmanenten Lehrveranstaltungen (3). Teilleistungen konzipieren. Infopool besser lehren. Center for Teaching and Learning, Universität Wien, November 2020. [https://infopool.univie.ac.at/startseite/pruefen-beurteilen/leistungsbeurteilung-in-pruefungsimmanenten-lehrveranstaltungen/3-teilleistungen-konzipieren/]

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