Naturwissenschaftliche Laborpraktika leiten und betreuen

Sonja Buchberger

September 2019

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Einleitung

Laborpraktika stellen den praktisch-experimentellen Anteil vieler Studienprogramme dar, in dem Studierende die Arbeitsweise empirisch orientierter Naturwissenschaften erlernen. Sie erwerben experimentelle Kompetenzen und erfahren, dass Erkenntnisgewinn selten geradlinig und unmittelbar passiert, sondern eine komplexe Abfolge unterschiedlicher Arbeitsschritte voraussetzt. Experimentelles Arbeiten umfasst Versuchsdesign und strategisches Denken, Hypothesenbildung, oft langwierige Trial-and-Error-Erfahrungen, Beweisführungen, Diskussion von Messfehlern, Fragen der Laborsicherheit und Teamarbeit.[1]

1. Rollen und Zuständigkeiten

An der Universität Wien ist Laborlehre zumeist durch die Zusammenarbeit von Lehrveranstaltungs-Leiter/innen und Mitanbieter/innen (auch Betreuer/innen genannt) gekennzeichnet. Deren Aufgaben und Gestaltungsspielräume unterscheiden sich häufig wie folgt:

  • Lehrveranstaltungs-Leiter/innen:
    • Planung der Grundausrichtung des Praktikums (unter Berücksichtigung der Vorgaben des jeweiligen Curriculums), insb. der Studienziele, der Versuchsauswahl sowie der Beurteilung
    • Verantwortung für die inhaltliche Passung zwischen Praktikum und dazugehöriger Vorlesung sowie die weitere Einbindung des Praktikums ins Modul bzw. in das Studienprogramm (Vorbereitung auf Nachfolgepraktika)
    • Alle Aufgaben, die auch Mitanbieter/innen übernehmen (s.u.)
  • Mitanbieter/innen bzw. Betreuer/Innen:
    • Kommunikation mit den Studierenden und Anleitung vor Ort
    • Detailplanung von Experimenten
    • Sicherstellen, dass Sicherheitsvorkehrungen von allen Studierenden verstanden und eingehalten werden
    • Beurteilung – oft nach einer Vorgehensweise, die von der LV-Leitung vorgegeben und auch von anderen Mitanbieter/innen einheitlich verwendet wird

2. Lernpotenziale in praktischen Laborübungen

Praktische Laborübungen bieten vielfältige Lernmöglichkeiten für Studierende. Die Liste an möglichen Studienzielen ist daher lang. Damit sich Studierende in miteinander konkurrierenden Lehr-/Lernzielen nicht verlieren, sollten Lehrende bewusste Schwerpunktsetzungen treffen. Expert/innen in Labordidaktik sprechen in diesem Zusammenhang von „targeted labwork“.[2]

Die Lernpotenziale von Laborpraktika umfassen insbesondere folgende Bereiche:

  • Konzeptuelle Lehr-/Lernziele (Verbindung von Theorie und Praxis):
    • Wissenschaftliche Konzepte werden durch die unmittelbare Beobachtung von Phänomenen besser begreiflich (induktives Lernen).
    • Fachwissen wird in praktischen Aufgaben angewandt (deduktives Lernen).
  • Prozedurale Lehr-/Lernziele (experimentelle Fähigkeiten in allen Schritten der Versuchsdurchführung)
    • Korrekte Verwendung von Geräten und Materialien
    • Versuchsplanung und begründete Versuchsauswahl
    • Datenanalyse: Fähigkeit, statistische Fehler zu schätzen und systematische zu erkennen, inkl. rechnerische Kompetenzen
  • Erkenntnistheoretische Lehr-/Lernziele:
    • Verständnis der Rolle experimenteller, empirischer Forschung in den Naturwissenschaften
    • Verständnis von Daten und deren erkenntnistheoretische Unsicherheit
  • Sprach- und schreibbezogene Lehr-/Lernziele: Korrekte Verwendung von Wissenschafts- und Fachsprache – mündlich wie schriftlich (im Rahmen des Laborprotokolls), Dokumentation und Ergebnispräsentation
  • Soziale Kompetenzen: Teamarbeit

Das Leiten und Mitanbieten von Laborpraktika bringt spezifische Herausforderungen und Chancen mit sich, die sich von anderen Lehrveranstaltungs-Settings unterscheiden. Oft wird kritisch angemerkt, dass Laborpraktika in der gelebten Praxis nur bedingt die Voraussetzungen für Nachfolgepraktika oder das Schreiben einer experimentellen Abschlussarbeit schaffen.[3] Die Einträge zu Laborpraktika sollen aufzeigen, worauf es in der Lehre ankommt, um Lernen bei Studierenden tatsächlich anzuregen.

Weiterlesen

Laborpraktika (1): Laborpraktikum planen

Quellen

[1] Nilson, Linda B. „Problem Solving in the Sciences“. In Teaching at Its Best: A Research-Based Resource for College Instructors, 3. Auflage, 199-207. San Francisco: Jossey-Bass, 2010; hier: S. 207.

[2] Séré, Marie-Geneviève. „Towards Renewed Research Questions from the Outcomes of the European Project Labwork in Science Education“. Science Education 86, Nr. 5 (2002): 624-644; hier: S. 626.

[3] Mühlenbruch, Tobias, und Volkhard Nordmeier. „Optimierung naturwissenschaftlicher Experimentalpraktika”. In Heterogenität und Diversität – Vielfalt der Voraussetzungen im naturwissenschaftlichen Unterricht., herausgegeben von S. Bernholt, 414-416. Gesellschaft der Didaktik der Chemie und Physik, Jahrestagung in Bremen 2014, Kiel: IPN, 2015.

Empfohlene Zitierweise

Buchberger, Sonja: Naturwissenschaftliche Laborpraktika leiten und betreuen. Einleitung. Infopool besser lehren. Center for Teaching and Learning, Universität Wien, September 2019. [https://infopool.univie.ac.at/startseite/lv-typen-disziplinen/naturwissenschaftliche-laborpraktika-leiten-und-betreuen/]

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