Naturwissenschaftliche Laborpraktika leiten und betreuen (5)
Sonja Buchberger
September 2020
Prüfen & Beurteilen
Wenn Lehrende die Form der Leistungsüberprüfung für ihr Praktikum entwickeln, sind die Studienziele der zentrale Ausgangspunkt. Auf die Frage „Was sollen Studierende nach der Lehrveranstaltung wissen und können?“ folgt nun die Frage „Wie kann ich dieses Wissen und Können in einem Mix unterschiedlicher Teilleistungen messen?“. Es ist wichtig, Studierenden die Prüfungsanforderungen möglichst transparent zu machen, weil sich ihre Lernstrategien an ihnen orientieren (s. Experteninterview mit Florian H. Müller). Wenn Sie klar kommunizieren, worauf es Ihnen in praktischen Versuchen oder im Protokoll ankommt, werden mehr Studierende dies berücksichtigen und bessere Lernfortschritte erzielen. Auch die Gewichtung der Teilleistungen in der Gesamtnote ist für Studierende eine wichtige Information und muss bereits in der LV-Ankündigung im Vorlesungsverzeichnis festgelegt werden. Viele Fachbereiche verwenden Beurteilungsschemata (Assessment Rubrics), die Studierenden erlauben, auch innerhalb einer Teilleistung zu sehen, wie sich die Beurteilung zusammensetzt.
Es gibt eine Reihe typischer Herausforderungen in der Leistungsüberprüfung in Laborpraktika:
- Schwierige Berücksichtigung aller Lehr-/Lernziele im Prüfungsdesign: In Laborpraktika wird häufig eine Vielzahl an Lehr-/Lernzielen verfolgt: praktisch-handwerkliche Fertigkeiten wie auch strategisches und analytisches Denken und Konzeptverständnis. Für die Leistungsüberprüfung bedeutet dies, dass u.U. nicht alle für die eigene LV in Anspruch genommenen Ziele tatsächlich im Prüfungsdesign berücksichtigt werden (können).[1] Eine Fokussierung auf bestimmte Kompetenzen ist daher notwendig, wobei der Schwierigkeitsgrad mit Vorankommen im Studienprogramm ansteigen sollte.
- Arbeitsaufwand für Lehrende: Die Beurteilung unterschiedlicher Teilleistungen im Laufe des Praktikums ist personal- und ressourcenintensiv. Als mögliche Erleichterung können Lehrende selektiv bzw. exemplarisch prüfen. Es muss nicht jeder einzelne Versuch als Teilleistung gelten.
- Möglicher Plagiarismus durch Datenfälschung: Wenn ein Versuch nicht optimal gelingt oder Studierende Zweifel an ihren Messwerten haben, kann ihre Befürchtung von negativen Konsequenzen (Punkteabzug) sie dazu verleiten, mit den Messergebnissen einer anderen Arbeitsgruppe weiterzuarbeiten – ohne das im Protokoll auszuweisen und zu begründen. Um diesem Problem entgegenzuwirken, machen Sie deutlich, dass man sowohl aus Erfolgen als auch aus (Mess-)Fehlern lernen kann. In Ihrem Beurteilungssystem können zumindest ein Großteil der Punkte durch eine anschließende Fehleranalyse und -diskussion wieder gewonnen werden.[2] Das ist vor allem ratsam, wenn der zeitliche Rahmen des Praktikums nicht erlaubt, einen misslungenen Versuch zu wiederholen.
- Gruppenarbeiten beurteilen: siehe Abschnitt „Gruppenarbeit in Laborpraktika“
Folgende Teilleistungen werden häufig in Laborpraktika eingesetzt:
- Experimentelle Arbeit: Um subjektiv verzerrte Wahrnehmungen bewusst zu machen, gehen Sie in Ihrer Beobachtung der experimentellen Kompetenzen nach einem systematischen Plan (z.B. Rubric) vor und machen Sie regelmäßig Notizen. Die Beobachtung kann auch durch ein Kurzgespräch mit den Studierenden ergänzt werden, wobei sie ausführen, aus welchen Gründen sie was tun. Wenn nicht alle Versuche beurteilt werden sollen, besteht die Möglichkeit, dass Sie die Durchführung von einem oder zwei Versuchen pro Student/in im Laufe des Semesters beurteilen.
- Versuchsprotokolle: Eine oft wichtige Beurteilungsgrundlage in Praktika sind die nach einer Praktikums-Einheit erstellten Protokolle der durchgeführten Versuche. Für die Beurteilungskriterien von Protokollen überlegen Sie sich, wie Sie einzelne Elemente im Verhältnis zueinander gewichten möchten: Konzeptverständnis, gelungene Durchführung des Experiments, Ergebnisdiskussion, Einhaltung von Formalia (Rechtschreibung, korrekte Beschriftung von Visualisierungen etc.).
- Tests: Tests oder kleinere Quiz können zu jedem Zeitpunkt des Praktikums eingesetzt werden. Sie können sie schriftlich oder mündlich in der LV-Einheit durchführen, aber auch online als Vorbereitungsaufgabe über Moodle. Die Testergebnisse können wichtige Rückmeldungen für Sie liefern, wo die Studierenden in ihrem Lernprozess stehen. Sie können in Folgeeinheiten darauf reagieren, indem Sie auf verbreitete Missverständnisse und Fehlkonzepte eingehen. Mögliche Bereiche, die durch Tests abgeprüft werden können, sind:
- Kompetenzen in der Versuchsplanung;
- Detailwissen über ein bevorstehendes Experiment sowie Sicherheitsfragen;
- Verständnis der weiteren Einbindung eines Experiments in Konzepte und Theorien;
- rechnerische Kompetenzen.
- Versuchsnotizen: Versuchsnotizen sind während der Durchführung eines Experiments notierte Informationen über die genaue Vorgangsweise. Als Teilleistung eignet sich hier die einfache Unterscheidung abgegeben/nicht abgegeben oder 1 bzw. 0 Punkte. Lehrende, die Versuchsnotizen als Teilleistungen einsetzen, möchten oft auf deren Bedeutung in der Forschung aufmerksam machen und Nachvollziehbarkeit als zentrale Qualität empirisch-naturwissenschaftlicher Arbeit vermitteln. Manche Lehrende erlauben Studierenden bei schriftlichen Tests, ihre Versuchsnotizen einzusehen.
Es empfiehlt sich, verschiedene Teilleistungen zu kombinieren, weil sie das Erreichen jeweils unterschiedlicher Lehr-/Lernziele sichtbar machen. Studienrechtlich müssen an der Universität Wien in prüfungsimmanenten Lehrveranstaltungen mindestens zwei Teilleistungen erfolgen. Doch Achtung bei sehr kleinteiligen Beurteilungskonzepten: Eine hohe Anzahl an Teilleistungen kann für den Lernprozess problematisch sein, wenn Studierende das Praktikum als durchgehende Prüfungssituation erleben und keine Möglichkeit sehen, Verständnisfragen zu stellen. Neben Phasen, in denen Leistung überprüft wird, bedarf es unbedingt auch Phasen, in denen Neues erlernt wird und Studierende nicht unter Druck stehen, bereits alles verstanden haben zu müssen.
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Themenübersicht „Naturwissenschaftliche Laborpraktika leiten und betreuen“
Quellen
[1] Teaching @ UNSW Australia. Assessing Laboratory Learning. Version vom 08.10.2012, https://teaching.unsw.edu.au/assessing-laboratory-learning [letzter Zugriff 10.09.2019].
[2]Teaching @ UNSW Australia, Assessing Laboratory Learning [1].
Empfohlene Zitierweise
Buchberger, Sonja: Naturwissenschaftliche Laborpraktika leiten und betreuen (5). Prüfen & Beurteilen. Infopool besser lehren. Center for Teaching and Learning, Universität Wien, September 2020. [https://infopool.univie.ac.at/startseite/lv-typen-disziplinen/naturwissenschaftliche-laborpraktika-leiten-und-betreuen/5-pruefen-beurteilen/]
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