Mit Lehr-/Lernzielen in die Planung starten
Die inhaltliche Planung Ihrer Lehrveranstaltung beginnen Sie am besten mit der Erarbeitung der Lehr-/Lernziele (oder auch Studienziele). Im Eintrag Orientierung an Studienzielen und Constructive Alignment finden Sie die Grundlagen; im folgenden Abschnitt werden diese hinsichtlich ihrer Relevanz für den Planungsprozess behandelt.
In den Lehr-/Lernzielen drücken Sie aus, was Ihre Studierenden nach Absolvierung der Lehrveranstaltung wissen und können sollen. Im Englischen ist dafür der Begriff der "intended student learning outcomes (ILOs)" (erwartete Lernergebnisse) gebräuchlich. Diese Erwartungen können auch als Versprechen gelesen werden: Dafür, was die Studierenden wissen und können werden, wenn sie die erforderlichen Aufgaben der LV gut erfüllen.
1. Die Bedeutung von Lehr-/Lernzielen
Sich im Planungsprozess an Lehr-/Lernzielen zu orientieren bringt mehrere Vorteile. Es fokussiert die Planung auf den Lernprozess der Studierenden und unterstützt Sie, Ihre Lehre studierendenzentriert auszurichten. Denn eine Planung, die von den Inhalten ausgeht, resultiert nicht selten in einer inhaltlichen Überfrachtung von LVs. Und dennoch - vielleicht kennen Sie die Situation - reicht oft die Zeit nicht aus, um das Geplante unterzubringen. Ziele helfen beim Fokussieren der Auswahl. Außerdem hilft die Perspektive der Lehr-/Lernziele auch, studentische Selbstlernzeit bzw. Online-Aktivitäten (synchron und asynchron) mitzudenken, weil Ziele nicht nur das Was im Lernprozess abdecken, sondern auch das Wie. Im Sinne des Constructive Alignment dienen die Lehr-/Lernziele nämlich als Ausgangspunkt für Entscheidungen bezüglich der Lehr-/Lernmethoden und Leistungsüberprüfung und tragen so zu einer kohärenten Gestaltung von LVs bei.
Hinweis
Die empirische Lehr-/Lernforschung hat die "Formulierung und Verfolgung klarer Lernziele" als einen der größten Einflussfaktoren auf studentischen Lernerfolg identifiziert.[1] Aus einer anderen Metastudie ging hervor, dass sich "möglichst herausfordernde, aber erreichbare Ziele" stark auf den Lernerfolg von Studierenden auswirken.[2] Allein diese kleine Auswahl aus einer Vielzahl ähnlicher Forschungserkenntnisse legt nahe, dass es sich lohnt, diesem Aspekt der Lehrplanung besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Gelegentlich werden Lehr-/Lernziele missverstanden als eine Art rigides, unumstößliches Korsett, das - einmal festgelegt - die Flexibilität der Lehrenden in weiterer Folge einschränkt. Tatsächlich sind Lehr-/Lernziele ein guter Start- und Orientierungspunkt für die LV-Planung, die aber zumeist in einem zirkulären Prozess und in mehreren Überarbeitungsschleifen abläuft. Dabei ist es gut möglich, dass Sie ursprünglich anvisierte Lehr-/Lernziele umformulieren oder verwerfen und durch neue ersetzen, weil sie bei einer Gesamtbetrachtung eines LV-Plans doch nicht mehr passend scheinen.
2. Lehr/-Lernziele für eine LV entwickeln
Im Folgenden finden Sie Anregungen für die Entwicklung von Lehr-/Lernzielen, die sich bewährt haben. Wie bei der Lehrgestaltung im Allgemeinen gilt auch hier: Lehrende haben unterschiedliche Präferenzen für die Vorgehensweise bei diesem Schritt. Gerade wenn Sie noch weniger Erfahrung und Übung haben, kann die Formulierung von Lehr-/Lernzielen schwierig sein. Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn sie Ihnen nicht sofort leicht von der Hand geht.
Tipp
Manche Lehrende finden es hilfreich, vor der konkreten Ausformulierung der Lehr-/Lernziele noch kurz zu reflektieren, welche Essenz die Studierende aus der Lehrveranstaltung mitnehmen sollen, z.B. mithilfe folgender Fragen:[3]
- Stellen Sie sich vor, Absolvent*innen Ihres Studienprogramms unterhalten sich in einigen Jahren darüber, dass diese LV eine der besten im gesamten Studium war. Was genau sagen sie über Ihre LV?
- Worin werden sich Studierende, die diese LV absolviert haben, von anderen unterscheiden?
Schlagen Sie im Curriculum nach, ob es übergeordnete Ziele für die LV gibt, die Sie beachten müssen. Beginnen Sie dann, Ihre eigenen Lehr-/Lernziele für die LV niederzuschreiben. Das machen Sie anfangs nur für sich selbst, d.h. Sie brauchen sich zunächst noch nicht um perfekte Formulierungen kümmern. Zu Beginn geht es darum, dass Sie für sich selbst Klarheit schaffen, was Sie mit der LV erreichen wollen. Präzise ausformuliert sollten die Ziele allerspätestens dann sein, wenn sie zur Kommunikation mit Studierenden verwendet werden, beginnend mit der Ankündigung Ihrer Lehrveranstaltung in u:find.
Tipp
Vergessen Sie neben den fachlichen nicht auf die überfachlichen Lehr-/Lernziele!
Zum Beispiel: Nach Absolvierung der LV werden Sie in der Lage sein,
- die Bedeutung von Lipiden und Kohlehydraten für den zellulären Stoffwechsel zu erklären (fachlich);
- eigene Grundüberzeugungen und deren Herkunft klar und detailliert zu formulieren (ethisches Denken, überfachlich)[4].
Eine Arbeitsunterlage für überfachliche und persönliche Kompetenzen inklusive konkreter Formulierungen für entsprechende Lehr-/Lernziele finden Sie hier: Learning Outcomes in University for Impact on Society.
Wenn Sie nun Ihre Liste an Zielen betrachten, was sehen Sie? Ergibt sich vielleicht bereits eine gewisse Hierarchisierung, d.h. sehen Sie Ziele, die aufeinander aufbauen? Gibt es welche, die als Basis für andere dienen (müssen)? Gibt es Ziele, die in keiner Beziehung zu einander stehen?
Aufeinander aufbauend:
Wenn Sie ein übergeordnetes Ziel identifiziert haben, suchen Sie jene anderen Ziele aus der Liste, die zu dessen Erreichen nötig sind. Überlegen Sie eine sinnvolle Reihenfolge. Sind sie ausreichend, damit die Studierenden das übergeordnete Ziel erreichen können oder braucht es noch mehr, um den Weg dahin zu strukturieren? Allein aus dieser inhärenten Logik kann sich bereits eine Teilstruktur der LV ergeben, von der aus Sie gut weiterarbeiten können.
Nebeneinander stehend:
Haben Sie Lehr-/Lernziele, die nebeneinander stehen anstatt aufeinander aufzubauen? Diese ordnen Sie am besten nach Wichtigkeit, um eine sinnvolle Struktur herzustellen und um sicherzustellen, dass Sie kein wichtiges Ziel vergessen. Wenn Sie unschlüssig sind, wie Sie priorisieren sollen, überlegen Sie (ähnlich wie oben bei der Eingangsreflexion), was die Studierenden auf jeden Fall aus Ihrer LV mitnehmen sollen. Oder Sie orientieren sich an zentralen Ideen und Konzepten Ihres Fachs. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie Dreh- und Angelpunkte im Wissensgefüge eines Faches darstellen, ohne die man ganze Bereiche nicht verstehen würde. Bildlich vorstellbar sind diese zentralen Konzepte beispielsweise als "conceptual velcro"[5] (also ein konzeptioneller Klettverschluss), mithilfe dessen Studierende wichtige Inhalte des Faches verstehen, einordnen und zusammenfügen können. Beispiele dafür sind etwa:
- Darwins Evolutionstheorie in der Biologie;
- das Konzept der Sozialstruktur in der Soziologie oder
- der Stichprobe in der Statistik.
Neben Konzepten können auch Kompetenzen solch eine zentrale Rolle einnehmen. Diese sind meist überfachlich, aber dennoch nicht weniger bedeutsam. Beispiele hierfür sind:
- Metakognition,
- kritisches Denken oder
- das Formulieren von Hypothesen.[6]
Haben Sie eine (oder mehrere) zentrale Ideen, Konzepte oder Kompetenzen für Ihre LV identifiziert, können Sie die anderen Ziele hinsichtlich ihres Zusammenhangs damit überprüfen und entsprechend reihen. Wenn Ihre ursprüngliche Liste sehr lang war, wollen Sie anschließend eventuell einige nachrangige Ziele streichen. So erhalten Sie eine realistische Auswahl an Zielen und können darauf aufbauend die nächsten Planungsschritte in Angriff nehmen.
Tipp
Um Beziehungen der Ziele zueinander zu eruieren, kann es hilfreich sein, diese in einem Diagramm oder einer Concept Map darzustellen.[7]
Quellen
[1] Feldman 2007 zit. in Gerhard, David, et al. "Vorlesung". In Gute Hochschullehre: Eine evidenzbasierte Orientierungshilfe: Wie man Vorlesungen, Seminare und Projekte effektiv gestaltet, hrsg. Michael Schneider und Maida Mustafić. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg, 2015, S. 15.
[2] Hattie, John. Visible Learning: A Synthesis of Over 800 Meta-Analyses Relating to Achievement. London [u.a. ]: Routledge, 2009, S 164.
[3] Davis, Barbara Gross. Tools for Teaching. 2. Aufl. San Francisco, CA: Jossey-Bass, 2009, S. 5.
[4] Siehe Universität Innsbruck. "Aurora Competence Framework: Learning Outcomes Beyond Subject Expertise." https://www.uibk.ac.at/de/international/aurora/aurora-european-universities-allianz/arbeitspakete/work-package-3/workshop-aurora-competence/. [letzter Zugriff am 08.04.2023]
[5] Hansen, Edmund J. Idea-Based Learning: A Course Design Process to Promote Conceptual Understanding. Sterling, VA: Stylus, 2011, S. 33.
[6] Mehr Beispiele finden Sie in Hansen, Edmund J. Idea-Based Learning: A Course Design Process to Promote Conceptual Understanding. Sterling, VA: Stylus, 2011, S. 34.
[7] Zu Concept Maps siehe z.B. Nückles, Matthias, und Gurlitt, Johannes. Mind Maps und Concept Maps: Visualisieren - Organisieren - Kommunizieren. München: Dt. Taschenbuch Verl. Beck, 2004.
Empfohlene Zitierweise
Louis, Barbara: Lehre planen (2). Mit Lehr-/Lernzielen in die Planung starten. Infopool besser lehren. Center for Teaching and Learning, Universität Wien, Juni 2023. [https://infopool.univie.ac.at/startseite/universitaeres-lehren-lernen/lehre-planen/2-mit-lehr-lernzielen-in-die-planung-starten/]
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